MAYA SPUREN ZEICHEN DEUTUNG BILDER

Ein Aneignungsprozess

1979

Kommunale Galerie Berlin

Sternstunde

„In dem Gemälde „Sternstunde“ sind die Zeichen selbst zu lebendigen Wesen geworden. Der Zug der Gestalt-Phänomene strömt aus dem Inneren des Bildraumes, wie aus dem Getrommel einer allumfassenden Walpurgisnacht in die Wirklichkeit des Augenblickes gerufen, auf uns zu. Die Stimmung des Bildes ist unheimlich, denn sie mutet uns eine Exaltation zu, die dazu bereit ist, die greifbare Nähe der beschworenen Dämonen zu ertragen. Der Tiefenraum des Bildes, aus dem die Dämonengestalten steigen, hat nichts mit der Perspektive eines realen, alltäglichen Umweltraumes zu tun. Es ist der irreale Raum einer braunen Nacht, die aus den Wahrnehmungsgründen unseres Unterbewußtseins in unser Tagesbewußtsein quillt und sich dort breit macht – als einzige Möglichkeit einer unmittelbaren Botschaft vom wirklichen Leben der fremden Götter. Unten links im Bild tauchen aus einem milchig silbernen Nebeldunst die Konturen eines Tempels auf. Das ist der Sender, der die Geister entläßt. Am rechten Bildrand hockt im Wetterleuchten gewitterblauer Nacht die Gestalt einer Gliederpuppe, der die Arme fehlen. Der Kopf ist erhoben, das Gesicht neigt sich nach hinten, der Mund ist aufgerissen, die Augen nach innen gerichtet. Die Gestalt der Puppe ist ein Gleichnis für die Empfängerin der dramatisch aus der Versunkenheit ans Licht drängenden Vision, die sich im Getümmel der ausgesandten Geistergestalten konkretisiert. Die Puppengestalt ist ein Identifikationssymbol für das reale Beteiligtsein der Künstlerin an dem Prozeß, der sich in dem von ihr gemalten Bild vor unseren Augen abspielt. Die Serie der Maya-Bilder Sabine Franek- Kochs ist das jüngste Beispiel für eine künstlerische Auffassung, die ihre gesamte Arbeit bestimmt, und die auch in den früher von ihr geschaffenen Bildern offenkundig erscheint, in ihren ägyptischen Motiven, in ihren Objektkästen mit Relikten mittelmeerischer Kultur und mit Fundstücken von französischen Gräbern. Es sind Wachtraumreisen in die versunkenen Zonen unserer Bewußtseinsgeschichte.“