Die Verlagerung eines Opferplatzes

1983

Hat FRANEK bei den Letreros del Julán das Medium der Fotografie eingesetzt, um die Zeichen zu dokumentieren, kam bei ihrer Arbeit Die Verlagerung eines Opferplatzes (Abb. 35) aus dem Jahr 1983 die Technik der Frottage zur Anwendung. Mit dem Abreibeverfahren machte die Künstlerin von einer Technik Gebrauch, die in der Biologie schon im 15. Jahrhundert genutzt wurde und in der Kunst 1925 von Max Ernst eingeführt worden ist.111 

Die sowohl in der Wissenschaft1als auch in der Kunst eingesetzte Technik kam FRANEK insofern entgegen, als sie bei der Verlagerung eines Opferplatzes eine Dokumentation vornimmt und diese in einen künstlerischen Rahmen einbindet. Den Ausgangspunkt für die Arbeit bildet eine Opferstätte auf dem Montaña de las Cuatro Puertas, dem Berg der vier Tore,113 der sich auf Gran Canaria befindet. Der Opferplatz besteht aus einer in den Fels geschlagenen, fast kreisrunden Opferrinne und Vertiefungen für Opfergaben sowie Resten einer Inschrift. Die Urkanarier haben an dieser Stelle ihrem Gott Abora Tier- und Trankopfer dargebracht und versucht, den Zorn des Gottes Guayote zu besänftigen.115 

FRANEK hat den Opferplatz mit Kohlepapier auf ein Leinentuch der Größe 500 x 460 cm abgerieben und später mit vor Ort entnommener Erde bearbeitet, so dass es durch die rotbraunen Pigmente zu einer farblichen Differenzierung des Werkes gekommen ist. Installiert befindet sich die Frottage auf einer Fläche, die in ihrer Neigung dem natürlichen Gefälle des Platzes auf dem Montaña de las Cuatro Puertas entspricht. An den Wänden veranschaulichen Fotografien den Entstehungsprozess des Werkes.

Die Verlagerung eines Opferplatzes dokumentiert unter künstlerischen Gesichtspunkten ein Zeugnis der im 15. Jahrhundert untergegangenen altkanarischen Kultur und spricht sowohl wissenschaftliche als auch künstlerische Interessen an. Aus diesem Grund wurde die Arbeit sowohl im Übersee-Museum Bremen als auch im Martin-Gropius-Bau Berlin, im Eiskeller Hannover und im Heidelberger Kunstverein ausgestellt, d. h. in einem ethnologischen Museum, einem Kunstmuseum, einer Kunstgalerie und einem Kunstverein.

Elisabeth Voigtländer: FRANEK Studien zur Ikonografie der Künstlerin.IN: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophisch-Historischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Kunsthistorisches Institut

 

 

 

Abreibung eines Opferplatzes - Cuatro Puertas - Gran Canaria
Abreibung in Cuatro Puertas - Gran Canaria
Verlagerung eines Opferplatzes auf ein Dach in Berlin
  Verlagerung eines  Opferplatzes auf ein Dach in Berlin
Verlagerung eines Opferplatzes in den Gropiusbau Berlin