Journal in SFB 3

Werner Rhode im Gespräch mit FRANEK am 12.02.1981

Sprecher:   Vor mir sitzt eine relativ junge Malerin: Sabine Franek Koch, geboren 1939 in Potsdam, die aber schon seit 20 Jahren malt. Dies begann, so sagt sie, schon während der Schulzeit. Sie hat 1959 ihr Abitur gemacht und obwohl sie keinen richtigen Zeichenunterricht in der Schule hatte, sondern eigentlich nur Kunstgeschichte, hat sie immer gezeichnet und ist mit dieser Mappe 1959 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin erschienen, hat das vorgelegt und ist aufgenommen worden. Und damit begann die Karriere der Sabine Franek Koch. Die erste Frage, Frau Franek Koch: wer war denn ihr Lehrer auf der HfbK?

FRANEK:    Mein Lehrer war zuerst Fred Thieler. Der kam zur gleichen Zeit wie ich nach Berlin, ich und meine Mitkollegen waren die erste Klasse, die er an der Hochschule geleitet hat. Später war ich dann noch bei Professor Mac Zimmermann...

Sprecher:   ...bei ihm waren Sie Meisterschülerin?

FRANEK:    Ja, bei ihm war ich später Meisterschülerin.

FRANEK:    Ich bin damals an die Abteilung für Kunsterziehung gegangen. Und zwar, wie das damals so war: man dachte immer man macht die Kunsterziehung, aber im Grunde genommen will man doch freier Maler sein, aber...

Sprecher:   ...so eine Rückversicherung?

FRANEK:    Ja, so in der Art. Aber ich bin nachher doch eine Zeit lang an die Schule gegangen.

Sprecher:   Das bedeutet also, dass Sie an der HfbK die Kunsterzieherausbildung genossen haben, und das bedeutete eben nicht nur malen und zeichnen, sondern...?

FRANEK:    Das bedeutete auch Philosophie zu studieren, Kunstgeschichte und alle möglichen pädagogischen Fächer, wobei ich aber sagen muss, dass ich doch das Hauptgewicht während meines Studiums auf Malerei und Druckgraphik gelegt habe. Weitere Fächer, die mich damals sehr interessierten, waren Spiel und Bühne, das konnte auch in die Schule eingebracht werden als Fach Werken. Insofern bin ich mit allen möglichen Dingen in Berührung gekommen, also es war kein esoterisches Studium.

Sprecher:   Sabine Franek Koch, sie haben sich dann 1964 von den Quellen der Kunst, wie man so schön sagt, an der HfbK freigemacht. Sie haben zunächst frei gearbeitet, sind dann aber doch in die Schule gegangen. Warum eigentlich?

FRANEK:   Damals war ich in einer etwas schwierigen Situation. Ich hatte bereits zwei Kinder, meine Tochter wurde1963 und mein Sohn 1964 geboren. Und da mein Mann auch freier Maler war zu der Zeit, musste ja irgendwo ein finanzieller Rückhalt geschaffen werden. und da bin ich in den Referendardienst gegangen. Und bin nach dem zweiten Staatsexamen allerdings auch an der Schule geblieben und habe dann dort einige Jahre Kunstunterricht erteilt.

Sprecher:   Sie waren also Lehrerin, genauer gesagt Kunsterzieherin, haben aber doch weiter gearbeitet, denn es gab ja auch während dieser Zeit, also von `67 bis `77, eine Anzahl von Ausstellungen von Ihnen?

FRANEK:    Ja, ich habe während der gesamten Schulzeit meine künstlerische Arbeit fortgesetzt, allerdings unter relativ schwierigen Bedingungen. Das ist eine Frage des Durchhaltens und auch eine Frage der Kraft. Ich habe in der Schule viel gemacht. Damals konnte man das Fach Kunsterziehung noch als kreativen Gegenpol zu den wissenschaftlichen Fächern ansehen und auch entsprechenden Unterricht gestalten und habe dadurch den Vorteil gehabt, auch meine eigene Arbeit mehr in den Kunstunterricht mit einbringen zu können und auch wiederum von den Schülern vieles gelernt. Ich konnte also dort tätig sein und zeitgleich auch zu Hause meine eigene Arbeit fortsetzen, hatte sogar Ausstellungen, was aber dann doch sehr an die Substanz ging, letztendlich ist es eine Frage der Kraft und des Willens, wie lange man da durchhält. Ich muss auch zugeben, dass es Zwischenphasen gegeben hat, wo das nicht ganz durchhaltbar war, aber ich habe es im Grunde genommen doch geschafft. Das sieht man an meinen Arbeiten: es sind in jedem Jahr, die ich an der Schule war, doch eine Reihe von Arbeiten entstanden.

Sprecher:   Kommen wir doch mal zu den Arbeiten. Es gab ein erstes Buch 1968 „Eng sind die Schiffe“, verlegt vom Rembrandt-Verlag. Sie haben mir einmal gesagt, dass zu diesem Zeitpunkt und in diesem Buch so eine gewisse Zusammenfassung Ihrer Arbeiten bis zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hat. Was heißt das?

FRANEK:    Das heißt, dass ich bis zu dem Zeitpunkt sehr frei gearbeitet habe. Ich habe ohne Vorlagen gearbeitet. Ich habe rein aus meiner – klingt vielleicht etwas geschraubt, aber mir fällt kein anderes Wort ein – aus meiner inneren Intuition gearbeitet, aus meiner Vorstellung und irgendwo auf dem Bild angefangen und irgendwo aufgehört. Das heißt, dass ein Fluss von assoziativen Motiven in diese Bilder eingeflossen ist.

Sprecher:   Wenn Sie einmal umreißen sollten: welche Motive waren das bei „Eng sind die Schiffe? Waren das wirklich Schiffe?

FRANEK:    Das waren auch Schiffe, aber nicht erlebte Schiffe, in dem Sinne, dass ich mir genaue Schiffzeichnungen angefertigt hätte, sondern ich habe die Schiffe so gezeichnet, wie sie mir in meiner Imagination erscheinen. Dadurch sind es sehr spielerische, sehr freie Arbeiten geworden.

Sprecher:   Eine Vorstellungswelt.

FRANEK:    Ja

Sprecher:   1969 gibt es einen Fernsehfilm über Sie, als Sie eine Mappe anlegen, die Sie „Karussell“ getauft haben. Werden da die Vorstellungen konkretisiert?

FRANEK:    Also ich habe sie nicht Karussell getauft. Das war eine Art Aufforderung wiederum vom Rembrandt-Verlag, zu dem Thema Karussell etwas zu machen, und zwar weil innerhalb meiner ganzen Arbeit immer wieder Karussellszenen, Zirkusszenen vorkommen, beziehungsweise die tauchten einfach auf, die waren da. Insofern lag es nahe, mal zu diesem Thema eine spezielle Mappe zu machen, eine Serie.

Sprecher:   Was hat sie denn daran gereizt, gerade das Karussell zu nehmen?

FRANEK:    Für mich war das im Grunde eine Bewältigung meiner Kindheitserlebnisse. Ich habe sehr viel Zeit auf Kirmes und Zirkus verbracht und war immer wieder fasziniert von dieser Atmosphäre, daraus entstanden die Motive.

Sprecher:   Also die Vorstellungen  von `68 werden, wenn ich das so banal sagen darf, werden nun etwas verifiziert, aber dennoch hintergründig, doppelbödig, über das Komödiantische, das Gauklerhafte, die Kirmes,  das Tänzerische... Kann man das so sagen?

FRANEK:    Ja, da kommen natürlich noch einige Motive hinzu, die dann auch mehr Lebenssinnbilder sind, zum Beispiel: labyrinthische Motive. Und dann gibt es auch ein Kreismotiv, ein Bühnenmotiv und verschiedene andere.

Sprecher:   Gut, diese beiden Arbeiten geben Vorstellungen, Imaginationen, Visionen wider. Jetzt kommt 1974 eine Reise nach Ägypten und es entsteht eine Serie „Tal der Könige“. Ist das etwas anderes? Setzt sich das von dem Vorhergehenden ab?

FRANEK:    Diese Reise war für mich ein sehr einschneidendes Erlebnis, weil jetzt von außen so viele Dinge auf mich einströmten. Ich war so fasziniert von dieser alten Kultur, diesen Darstellungen auf den Fresken und den gearbeiteten Goldschmiededingen und all dem, was aus der ägyptischen Mythologie dargestellt war, dass unwillkürlich die Motive auch in meine Arbeit einflossen. Wobei zu sagen ist, dass ich diese Dinge nicht einfach übernommen habe, sondern sie ergaben sich assoziativ in meinem Bildraum. Und Tier-Mensch-Gestalten, die schon vorher immer bei mir vorhanden waren, wurden jetzt speziell durch das Tier beziehungsweise den Tierkopf Anubis verkörpert. Es entstand eine Symbiose zwischen meinen vorher angefertigten Arbeiten und diesen neuen Eindrücken.

Sprecher:   Es bricht also sozusagen die reale Umwelt ein. Und bei einer Reise 1975 nach Brasilien wird das da fortgesetzt?

FRANEK:    Ja, da muss ich aber noch mal einhaken. Also für mich war das keine reale Umwelt. Das war – ich bin da jetzt gerade darauf gekommen, weil sie vorhin das Wort Vision gebraucht haben – das war auch keine Vision. Wenn man nach Ägypten fährt, dann ist die reale Umwelt natürlich ganz anders. Es war im Grunde die alte Kultur. Und zu ihrer zweiten Frage: Brasilien war eine Einladung verschiedener Berliner Künstler dorthin zu kommen, eine Ausstellung mit zu eröffnen. Und da war natürlich wenig Zeit jetzt mich auf diese indianischen Urkulturen zu konzentrieren. Ich musste also das, was mich faszinierte, erleben – das konnte ich damals auch in anderen Bereichen, so wie zum Beispiel in der für mich so empfundenen Totenstadt Brasilia. Und das hat sich auf meine Arbeit ausgewirkt. Ich habe eigentlich immer in meinen Arbeiten das eingebracht, was mich fasziniert hat.

Sprecher:   1977 verlassen Sie die Schule und 1978 geht es nach Mexiko und Guatemala. Und nun – für mich ungeheuer frapperiend – kommt etwas Neues hinzu. Es kommen plötzlich Bilder mit Zeichen, mit Schriften aus der Mayakultur Beschäftigungen, zum Teil wissenschaftlich, zum Teil künstlerisch, zum Teil emotional, zum Teil direkte Übernahmen aus dieser Mayakultur. Wie kam es dazu?

FRANEK:    Dieses von mir sogenannte Mayaprojekt, ist aufgrund dieser Reise entstanden. Die Reise war von mir zwar konzipiert, aber eigentlich noch nicht unter dem Aspekt, dass ich daraus ein Projekt machen würde, sondern mit dem Erlebnis und den Eindrücken dieser Reise entstanden bei mir immer mehr Bedürfnisse mehr über diese Kultur zu erfahren. Und so habe ich dann später , als die Reise beendet war, hier in Berlin angefangen zu recherchieren, einfach die Fragen, die sich dort gestellt haben, versucht, hier zu beantworten. Das ist eine ganz lange Sache gewesen. Ich habe angefangen zu lesen, ich hab mir Zeichen aus Büchern rausgezogen. Ich hab plötzlich gehört, da gibt es  eine alte Mayahandschrift, den Dresdner Kodex, ich habe versucht ein Faksimile dieses Kodex’ zu bekommen und mich wirklich mit der Bedeutung,  Gruppierungen, mit diesen Zahlenkolonnen und Glyphen beschäftigt. Das lief parallel zu dem Bildermachen. Dieser Prozess der Aneignung floss zwar mit in die Bilder ein. Aber das war wiederum ein ganz eigenwilliger Prozess, der sich immer wieder in die Notizbücher, in die ich hineinschrieb, niedergeschlagen hat.

Sprecher:   Sagen Sie mal, Frau Franek- Koch, ist das nicht sehr esoterisch? Sollten Sie nicht lieber in Mexiko oder Guatemala Elendsviertel malen? Warum denn nun Beschäftigung mit einer alten Kultur? Bringt uns das weiter?

FRANEK:    Ich habe in meiner Malerei nie den Anspruch gehabt, aufgrund meiner Bilder etwas verändern zu wollen. Es gibt sicher Maler, die das als Message sozusagen meinen, und das können die ja auch gern machen. Ich hab mich eigentlich immer mit den Dingen beschäftigt, die mich fasziniert haben, die mich interessiert haben. Ich finde auch, dass wir unsere Kultur nur begreifen und verstehen können, wenn wir zurückgehen auf Urkulturen. Der Katalog, der anlässlich meiner Ausstellung in der Kommunalen Galerie entstanden ist, hat eine Art Präambel und die möchte ich mal kurz zitieren: „ Wenn wir die Dinge in ihrer rechten Perspektive sehen wollen, müssen wir die Vergangenheit des Menschen ebenso verstehen wie seine Gegenwart. Deshalb ist das Verständnis der Mythen uns Symbole von entscheidender Bedeutung.“ Das ist ein Zitat von C.G.Jung. Ich bin eben nicht nur Maler, sondern beschäftige mich mit allen möglichen Dingen, unter anderem auch mit dieser Theorie von C.G.Jung. Und die bestätigt, das, was ich auch meine: dass wir uns selbst nur erfahren können, wenn wir zurückgehen. Es muss vielleicht nicht gerade Südamerika oder Mittelamerika sein, man könnte das hier genauso versuchen. Aber für mich war eben diese Reise der Anlass.

Sprecher:  Wo wird das nun hingehen mit der Malerei der Sabine Franek-Koch?

FRANEK:    Durch die Beschäftigung mit den Mayaglyphen, den Zahlen und Zeichen bin ich jetzt auf ein neues Aufgabenfeld gestoßen. Ich beschäftige mich jetzt mit Zeichen. Das heißt, ich sammle jetzt alle Zeichen, die teilweise parallel in alten Kulturen vorkommen. Als Höhepunkt dieser „Zeichenforschung“ – in Anführungsstriche, weil ich das ja immer auf meine künstlerische Art mache - stelle ich mir die Nazca Zeichen in Peru vor, wo ich sehr gern hin möchte, und was ich wahrscheinlich auch realisieren werde.

In der Reihe Berliner Künstler im Gespräch unterhielt sich Werner Rhode mit der Malerin Sabine Franek-Koch. (...)