Andreas Kaernbach Legend Germany

Der Zyklus Legende Deutschland [...], literarisch inspiriert von Heinrich Heines Gedichtzyklus Deutschland. Ein Wintermärchen, verdankt seine Entstehung einem unmittelbaren politischen Erlebnis, dem Fall der Mauer, und entstand im Rahmen eines Wettbewerbs für ›Kunst am Bau‹ des Museums Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Behandlung des Themas durch die Malerin offenbart aber, wie sie ihrer Weltsicht treu bleibt, indem sie das tagespolitische, gegenwartsgebundene Geschehen mythisch überhöht und zu einer tieferen geschichtlichen Deutung führt.

Auf dem Triptychon Geistesblitze steht die Malerin links oben ihrem Schattenbild gegenüber. In der linken Hand hält sie die Malerpalette, in der rechten die Malpinsel. Aus ihrem Kopf schießen ›Geistesblitze‹. Oberhalb der Gestalt der Malerin sieht man die Mauer zusammenbrechen. Auf einem Mauersegment ist noch der Schriftzug ›WALL‹ zu erkennen, auf einem anderen ein Hakenkreuz, beides Erinnerungen an vergangene dunkle Epochen. Auch die Wachtürme stürzen ein, und Rudel von Tieren, Rehe, Wildschweine, Hasen und eine Eule nutzen die neue Freiheit, über die aufbrechende Grenze zu wechseln. Der furiose Malgestus läßt die Dramatik der damaligen Ereignisse wieder lebendig werden. »Die Zeitgeschichte erhält eine märchenhafte zeitlose wie präzise auf die Situation der fallenden Mauer bezogene Interpretation« (Jens Christian Jensen). [...]

So möchte FRANEK das Triptychon als eine hymnische Feier auf die Kraft der Gedanken verstanden wissen, Gedanken, die Mauern zum Einsturz bringen können, Kräfte, die [...] über ihre unmittelbare politische Wirkung hinaus auch ein Weltganzes von Tier und Mensch wiederherstellen können. Begreift man das Triptychon in diesem umfassenderen Sinne, gewinnt die Gestalt der Malerin etwas Schamanenhaftes: Sie wird zur Seherin, die den Anbruch einer neuen Zeit verkündet.

Andreas Kaernbach

Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages

Dsc1977