Sendung Rias Berlin

Rias Berlin - Rainer Höynck im Gespräch Sabine Fromm, Pierre Badin und FRANEK

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Eng Sind Die Schiffe

Sendung im Rias Berlin 1973

anlässlich des Bühnenbildes von FRANEK für das Theaterstück: Aglavaine und Selysette von Maeterlinck im Kleinen Theater Berlin, Moderator: Rainer Höynck

Höynck  Bildende Künstler als Bühnenbildner - das hat es viel gegeben. Wir erwähnen aus jüngster Zeit Wolfgang Petrick bei der August Stramm Inszenierung des Forum Theaters, in der Oper Hamm etwa, Heiliger und Camaro gearbeitet, Wotruba, nur einige Namen von vielen. Die Malerin und Grafikerin Franek-Koch, deren Arbeiten zur Zeit gerade bei Pels-Leusden gezeigt werden, arbeitet in diesen Tagen an der Maeterlinck Inszenierung für das kleine Theater am Südwestkorso. Das ist jene neue Bühne, die Sabine Fromm eingerichtet hat und leitet, die schon eröffnet hat mit einer Wiederaufnahme und die jetzt einer Premiere entgegensieht, Martha Ling sagten wir schon, der Titel: Aglavaine und Selysette. Pierre Badin wird auch dieses Stück inszenieren ebenso wie den Grafen Oerindur, der schon am alten Schauplatz, dem Reichskabarett, Erfolg hatte. Franek-Koch arbeitet nicht neu dafür, sie ist auch nicht – sie legt Wert auf diese Feststellung – Bühnenbildnerin im eigentlichen Sinne, sondern sie stellt einige Grafiken zur Verfügung und nun wird ausprobiert, wie die sich projizieren lassen. Aber wir wollen Genaueres hören über diesen irrealen Raum, zuvor aber noch erwähnen, dass bei Maeterlinck der Fall anders liegt als beim Grafen Oerindur. Maeterlinck hat eine sehr schwülstige, pathetische Sprache, keiner könnte sie ernst nehmen, wenn man nicht Distanz spürt. Die Distanz, die die Aufführung zwischen den Text und den Zuschauer legt. Beim Grafen Oerindur bestand der Witz eher darin, dass man alles ganz ernst nahm, voll ausspielte, sich so richtig reinkniete in den Text und dadurch wirkte er doppelt komisch. Eine gewisse unfreiwillige Komik bei Maeterlinck mag sich ergeben. Nun, die Theatermacher lehnen das Wort Komik ab, wir werden ja sehen, wenn Premiere ist, wahrscheinlich am 30. Aber zuerst, wie gesagt, Franek-Koch über ihre Mitarbeit an der Maeterlinck-Inszenierung Aglavaine und Selysette:

Franek-Koch  Das hat sich eben so ergeben, dass wir entdeckt haben, das heißt, der Regisseur wie auch Frau Fromm, dass in meinen Bildern ganz bestimmte Dinge vorgegeben sind. Ob das jetzt ein Turm ist, der zum Beispiel einer Szene eine Rolle spielt, Landschaften oder auch Frauengestalten, die ziemlich identisch sein könnten mit denen, die hier spielen. So dass ich also in keiner Weise auf jetzt rein stilistische zeitgeschichtliche Dinge eingehen möchte. Zum Beispiel werde ich keine Requisiten machen.

Badin  Die Diskrepanz besteht darin, dass Maeterlinck so eine Art Tragédie macht, aber die Konstellation, die Handlung, fast Boulevard ist. Das ist das Interessante: Aus einer Boulevardkonstellation wird eine Tragödie gemacht und ich glaube aus dieser Warte kann man leicht das Stück ironisieren. Ich glaube, wenn Franek-Koch die Bilder extra für die Aufführung gemacht hätte, ich sie nicht hineingetan hätte. Der Rahmen der Bilder ist breiter, als wenn man sie für das Stück gemacht hätte.

W Traumszene Ii Dsc9616
W Tiergarten Mit Ritterburg Dsc9588

Höynck  Wenn Wellgunde und Woglinde wogen, dann ist ja meistens vorne auch ein Gazevorhang, der trennt das Publikum von den Sängern. Der Gazevorhang ermöglicht, dass man da projiziert. Dieser Vorhang, der auch hier in dem kleinen Bühnenraum notwendig ist, Frau Fromm, ist der nicht auch, trennt der nicht auch ein bisschen das Publikum, gibt der nicht das Gefühl, jetzt bin ich ein bisschen weiter weg, ist das beabsichtigt oder ist das nur notwendig, um die Projektionen hier erscheinen zu lassen?

Fromm  Einmal gibt er eine räumliche Distanz, zum andern schafft er einen Raum, insofern stimmt es nicht, das ist wirklich nur Bescheidenheit, wenn Franek-Koch sagt, sie ist keine Bühnenbildnerin. Sie schafft ja dadurch einen Bühnenraum, es entsteht ja Tiefe und Räumlichkeit durch diese Projektion.

Höynck  Zu der Grafik kommt ja dann also der Raum, dahinter kommen die lebenden Personen, es addiert sich da etwas, es entsteht etwas Neues.

Franek-Koch Ja, und das Ziel wäre hier, eine Verbindung darzustellen, das heißt eigentlich eine Synthese einzugehen zwischen dem Bildraum, den ich durch meine Arbeiten schaffe und dem Bühnenraum. Das heißt, den Darstellern und auch eigentlich noch dem Raum dahinter, denn wir werden eine weitere Projektion von der Bühne aus installieren zum Beispiel als Durchbruch, Durchblick durch ein Fenster, so dass da noch ein weiterer Raum entsteht. So dass also eine Art Traumraum angestrebt wird.

Höynck Sie haben ja auch in diesem Fall, Sabine Fromm, wieder Detektivarbeit geleistet: Den Text haben sie nicht als Angebot eines Verlages auf den Tisch bekommen, sondern selber ausgegraben.

Fromm  Ja, den haben wir damals ausgegraben, weil uns diese Figuren interessierten, die, wie schon gesagt wurde, eine Boulevard-Konstellation behandelt, dieses Stück, es werden auch alle drei Möglichkeiten des Zusammenseins durchgespielt, ganz geometrisch: Meleander und Selysette, Selysette und Aglavaine, Aglavaine und Meleander. Diese Figuren halten sich für emotionelle Ausnahmemenschen, für Gefühlsgiganten, obwohl sie überhaupt nichts tun. Sie leben sich in Worten aus, sie berauschen sich an ihren Worten, an ihren schönen Gefühlen, die immer nur wieder eine eitle Selbstbespiegelung im Grunde sind.

Moderator  Wenn man versucht, von diesem Inhalt auf Farben zu kommen und diese Farben dann mit den Farben von Franek-Koch zusammenbringt, dann merkt man, wie sie auf diese, jetzt sage ich also wirklich nicht Bühnenbildnerin, weil Sie es nicht wollen, sondern auf diese Künstlerin gekommen sind. Wie kann man die Farben beschreiben: etwas morbid etwas stichig, phantastisch?

Franek-Koch  Ich glaube, da sind mehrere verschiedene Farbmöglichkeiten drin. Es werden sehr viele Dias verwandt, die Blau-Grün-Töne haben, also die so eine Art traumhafte Stimmung erzeugen sollen. Dann gibt es aber auch sehr kontrastreiche Arbeiten, also zum Beispiel Blau-Orange, die ein präzises Bild der Schlosssituation zeigen sollen.

Fromm  Vielleicht kann man sagen, dass alles, was diese Figuren nicht ausleben, als Motiv in FRANEKs Bildern drin ist. Es ist ein Narzissmus dieser Frauen, es sind Sexualsymbole, all das, was eben nicht passiert, ist bildlich von ihr – bewusst oder unbewusst, das weiß ich nicht – dargestellt.

Franek-Koch       Dann wären sie aber Kontrast...

Badin                   Nicht Kontrast, Ergänzung könnte man sagen.

Fromm                 Ergänzung, es geht ja um diese Dinge, bloß sie passieren nicht.

Badin                   Wunschvorstellung.

Fromm                   Ja.

Höynck   Ich würde auch sagen Erweiterung, denn ein gutes Bühnenbild schafft nicht nur einen Spielraum, in dem sich inszenieren lässt, in dem sich spielen lässt, sondern ein gutes Bühnenbild macht die Regiekonzeption zum Teil mit, verrät sie nicht nur, sondern stimuliert sie auch wiederum und bringt Rückwirkungen auf die Inszenierung. Genauso kann ich mir vorstellen, dass man bei Inszenieren, beim Anblick Ihrer Druckgrafiken und dann wenn die Arbeit des Auswählens jetzt beginnt in der nächsten Zeit, dass sich da wieder Rückwirkungen ergeben auch auf die Schauspieler. Dass sie sich in einem anderen, in einem direkteren Bezug zum Text befinden, weil eben die Grafiken sagen, was man da noch hineinsehen, was man noch hineinlesen kann.

Franek-Koch  Ja, also dem würde ich auch zustimmen. Wir haben das eigentlich auch schon bei einer Probe gesehen, dass eine Schauspielerin gestern hier hinter dem Gazevorhang sich plötzlich zum Beispiel viel freier fühlte, weil sie sich also nicht so klar beobachtet fühlte.

Stimme  Ich bin hier nur ein armes kleines Ding, das euch nie folgen könnte. Aber ihr seid immer so gut gegen mich gewesen, dass ich es erst spät eingesehen habe. Und oftmals wolltet ihr mich mitnehmen, weil ich traurig war. Und wenn ich euch begleitete, schient ihr heiterer als gewöhnlich. Aber eure beiden Seelen hatten ihr Glück nicht mehr. Und ich stand zwischen euch wie eine kleine Fremde. Und mich fror.

(Musik)

Höynck  Wenn Wellgunde und Woglinde wogen, dann ist ja meistens vorne auch ein Gazevorhang, der trennt das Publikum von den Sängern. Der Gazevorhang ermöglicht, dass man da projiziert. Dieser Vorhang, der auch hier in dem kleinen Bühnenraum notwendig ist, Frau Fromm, ist der nicht auch, trennt der nicht auch ein bisschen das Publikum, gibt der nicht das Gefühl, jetzt bin ich ein bisschen weiter weg, ist das beabsichtigt oder ist das nur notwendig, um die Projektionen hier erscheinen zu lassen?

Fromm  Einmal gibt er eine räumliche Distanz, zum andern schafft er einen Raum, insofern stimmt es nicht, das ist wirklich nur Bescheidenheit, wenn Franek-Koch sagt, sie ist keine Bühnenbildnerin. Sie schafft ja dadurch einen Bühnenraum, es entsteht ja Tiefe und Räumlichkeit durch diese Projektion.

Höynck  Zu der Grafik kommt ja dann also der Raum, dahinter kommen die lebenden Personen, es addiert sich da etwas, es entsteht etwas Neues

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