Hans Gercke Bergeversetzen

Vorwort im Katalog Bergeversetzen

Als eine „Nomadin zwischen den Kontinenten“ hat sich Sabine FRANEK-Koch jahrelang mit den Sagen, Mythen und Ausdrucksformen außereuropäischer Kulturen, aber auch der eigenen abendländischen Kunst-Tradition auseinandergesetzt. In der Begegnung mit dem Fremden, im Spannungsfeld des Gleichen, des Ähnlichen und des Verschiedenen hat sie Aspekte der eigenen Person wiedergefunden und auf neue Weise sichtbar gemacht: Persönliches begegnet dem Überpersönlichen, zeitlos Gültiges erweist sich als in hohem Maß aktuell.

Die Exkursionen in ferne und sehr nahe, dabei nicht minder fremde Welten finden ihren Niederschlag in Texten, Bildern und Zeichen, in einer glutvoll-expressiven Malerei, die ihre Herkunft vom Informel nicht verleugnet, sie vielmehr und auf sehr persönliche Weise reflektiert, dabei die Autonomie des Bildes mit benennbaren Inhalten und Verweisen auf Erfahrung, mit figürlichen Notaten und narrativen Elementen verbindend.

Ausstellung und Publikation versuchen, die Verbindung aufzuzeigen zwischen FRANEKs Installationen und ihrem reichen und vielfältigen malerischen Schaffen, das begleitet wird von einem nicht minder bedeutenden zeichnerischen und druckgrafischen Werk sowie von fotografischen und plastischen Arbeiten. Der Hauptakzent liegt auf neuen Arbeiten, doch wurden bewußt Verbindungslinien zu früheren Schaffensphasen hergestellt, ohne dass dabei der Anspruch einer umfassenden Retrospektive erhoben werden könnte. Vielmehr geht es um das Herausarbeiten spezifischer Positionen, die zugleich einen exemplarischen Eindruck der Vielfalt und Vielschichtiugkeit dieses Werks vermitteln.

Ausstellung und Publikation sind das Resultat intensiver Zusammenarbeit mit der Künstlerin, aber auch das nicht zum ersten Mal bewährte Ergebnis der Kooperation zweier Institutionen, des Museums Witten und des Heidelberger Kunstvereins. Dass die Ausstellung außerdem in Reijkjavik gezeigt werden kann, erfüllt ihre Initiatoren mit besonderer Freude. 

Die Organisatoren der Ausstellung und Herausgeber dieses Katalogs danken der Künstlerin sowie Prof. Gerd Fleischmann, der auf höchst sensible und kompetente Weise die Gestaltung dieses Buches betreut, Prof. Lothar Romain, der das Manuskript seiner Berliner Eröffnungsrede zur Verfügung gestellt, und Kathie Cofer, die unter erheblichem Zeitdruck die Texte mit gewohnter Prägnanz und Einfühlsamkeit übersetzt hat, schließlich dem DruckVerlag Kettler, dessen bewährter Sorgfalt die Herstellung anvertraut wurde.

Einen besonderen und bereichernden Akzent erhält diese Publikation durch die beigefügte CD mit der soeben an der Universität Heidelberg abgeschlossenen Dissertation von Elisabeth Voigtländer. Sie ist, ebenso wie das Ausstellungsprojekt selbst, ein Ergebnis der 1998 vom Heidelberger Kunstverein in Zusammenarbeit mit dem Kurpfälzischen Museum durchgeführten Ausstellung „Brennpunkt Informel“, in der auf neue Weise die zentrale historische Bedeutung der informellen Kunst für die nachfolgende Kunstentwicklung dargestellt wurde – ein Focus, in den zahlreiche sehr verschiedenartige Strömungen einmünden, sich verdichten und verwandelt in andere, ebenso unterschiedliche, Richtungen ausstrahlen.

„Im Werk der in Potsdam geborenen, heute in Radegast und Berlin lebenden Künstlerin“, so schrieben wir damals im Katalog, „gewinnt das Informel, gerade in seinem prozessualen, dynamischen, offenen Charakter, inhaltliche Dimension“. FRANEKs Schaffen ist nicht zuletzt ein Plädoyer für sensible Offenheit allem Fremden gegenüber, für die Überwindung von Mißtrauen, Intoleranz und Angst, für die Möglichkeit einer sinnvollen, weder unkritischen noch vereinnahmenden Begegnung.

FRANEK im Heidelberger Kunstverein